Sicherlich bist du nicht ganz grundlos auf dieser Seite gelandet. Auch ich kenne das erdrückende Gefühl ohnmächtig vor den gesellschaftlichen, politischen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu stehen: gelähmt, desillusioniert, frustriert, traurig und aggressiv.
Als bei mir der Moment gekommen war, an dem ich nach einer offen gestanden langen Zeit des Lernens, endlich „verstanden“ hatte, als ich endlich begriffen hatte, wie die Welt in ihren Grundzügen funktioniert, wie die menschlichen Zahnrädchen dieser perfekt geölten Maschine unentwegt laufen für mehr, mehr, mehr… mehr Geld, mehr Besitz, mehr Erfolg, immer auf den Kosten Anderer, bin ich in ein Gefühlschaos geraten zwischen anfänglicher Euphorie „Es gibt ja so viele tolle Möglichkeiten!“ zu einem ergebenen „Das alles ist zu groß für mich, das ist ja Kämpfen gegen Windmühlen“.
Vor allem, als ich beschlossen hatte, mich diesem Muster nicht zu ergeben, sondern „etwas“ dagegen zu tun. Dieses „etwas tun“ ist nämlich leider äußerst unkonkret. Manchmal kommen diese unfähig machenden, negativen Gefühle noch immer in mir auf, mittlerweile habe ich aber einen recht guten Umgang damit gefunden und hoffe, dass ich dir mit meinen Hinweisen etwas unter die Arme greifen kann.
1. Don’t panic, organize!
Nichts ist schlimmer als das Gefühl, mit den eigenen Wünschen, Zielen und Träumen allein zu sein. Zusammenhalt verbindet, Gemeinschaft stärkt. Vor allem, wenn du in deinem Freundes- und Verwandtenkreis als Veganer*in allein bist, wird dir vermutlich oft versucht zu vermitteln, du seist wohl verrückt geworden, vom Mars oder anderen Himmelskörpern und sowieso: Du siehst das völlig falsch, weil wo sollen denn die ganzen Tiere hin, wenn sie niemand mehr isst.
Ja, da bleibt einem etwas das Lachen im Halse stecken, wenn das vegane Bullshit-Bingo voll im Gange ist. Am Anfang versucht man noch etwas mitzumachen, alles etwas runter zu spielen. Ich habe gelegentlich vorgegeben, es würde mich nicht stören, wenn neben meinem Grillgut Fleisch liegt. Es stört mich, sehr! Nein, ich möchte nicht, dass mein Essen Leichenteile berührt. Es ist widerlich und mir vergeht der Appetit. Wenn du Leute getroffen hast, denen es ebenso ergeht wie dir, wenn du merkst, dass nicht DU vom Mars bist, sondern es die Anderen einfach nicht gecheckt haben, nicht in ihrem Kopf, nicht in ihrem Herz, dann wird dir das alles so viel leichter fallen.
Was dir auch wunderbar helfen kann, ist, dich an öffentlichen Protesten zu beteiligen. Ja, du kannst auch jeden Tag 10 Videos von Peta teilen, gelegentlich teile ich auch solche Inhalte. Bei den realen Treffen ist die Verbindung noch einmal eine ganz andere. Für mich fühlt es sich wahnsinnig gut an, mit zig anderen Menschen zusammen die Stimme zu erheben.
Trau dich! Ich weiß, der erste Schritt braucht manchmal Überwindung. Man kennt niemanden, vielleicht wird das alles ja „oberpeinlich“. Glaub mir, es wird klasse. Die anderen Aktivist*innen werden absolut dankbar sein, dass ihre Gruppe Zulauf hat, denn oftmals sind auf den Demos keine Masse an Menschen, sondern immer wieder gleiche Gesichter. Selbstverständlich kann es ein guter Anfang sein, wenn du dich erst mal online über solche Gruppen informierst, auch via Facebook. In größeren Städten gibt es regelmäßig vegane Brunchs oder einen veganen Kaffeeklatsch, auch diese sind eine großartige Gelegenheit, um in Kontakt zu kommen.
2 Messe dich nicht an Anderen
Du bist ein wertvoller, empathischer Mensch, der unterdrückten und misshandelten Lebewesen seine Stimme leiht. Behandle dich gut, mach dir bewusst wie großartig dein Einsatz ist, auch wenn du „nur“ vegan lebst, damit meine ich: Du tust jetzt schon irrsinnig viel für diesen Planeten und alles, was auf ihm lebt. Ganz bestimmt wirst du auf andere Veganer*innen stoßen, die noch „so viel mehr“ machen. Das ist schön für die, hat mit dir aber initial nichts zu tun. Falls es dich inspirierst und du dann auch Lust hast, etwas Neues auszuprobieren, dann tu es. Sieh es bloß nicht als Maßstab, das führt schnell zur Frustration.
Ich selbst hole mir Inspirationen gern aus dem Internet, die ergeben sich einfach von selbst. Dann setze ich mir selbst ein kleines Ziel, z.B. „Ich möchte 3 Tage rohvegan essen“ oder „eine Woche keinen Kaffee trinken“ oder „fünf Tage keinen raffinierten Zucker essen“ und gucken, was es mit mir macht. Wie fühlt es sich an, habe ich darauf länger Lust? Dadurch lernt man sich und seine Grenzen super kennen, ohne es an die große Glocke hängen zu müssen oder irgendjemanden zu übertrumpfen. Gerade in den sozialen Medien wird uns gerne das „perfekte Leben“ präsentiert. HA! Was das perfekte Leben für dich ist, das bestimmst nur du allein. Probier dich aus, um deines Willen!
3 Schütze dich
Ich weiß, du hast begriffen, dass deine Mitmenschen sich emotional von den Lebewesen, die sie konsumieren, abgeschottet haben und das dies eine tragende Wurzel allen Übels ist, gegen das du kämpfst. Auch meine Timeline bei Facebook bestand zu einem früheren Zeitpunkt fast ausschließlich aus Videos, in denen man die Misshandlung und den Mord an Tieren sah. Es stimmt, wir verschließen unsere Augen nicht vor der Realität, aber du hast deine Konsequenzen gezogen. Du hast dich für die unpopuläre, dennoch auf allen Ebenen richtige Lösung entschieden, vegan zu leben. Das bedeutet, es ist nicht von Nöten, dich diesen Qualen immer wieder auszusetzen.
Es ist nicht deine Aufgabe, möglichst viel ertragen zu müssen! Nimm dir aktive Auszeiten, kümmere dich in dieser Zeit nur um dich selbst.
4 Sei der Kolibri
Es gibt einen Waldbrand, alle Tiere flüchten und stehen hilflos vor dem sich ausbreitenden Feuer. Nur ein kleiner Kolibri fliegt eifrig zwischen dem Fluss und den brennenden Bäumen hin und her. Der Elefant fragt ihn verwundert „Was tust du da? Dein kleiner Schnabel trägt jeweils nur einen Tropfen. So wirst du das Feuer niemals löschen.“ Der Kolibri aber erwidert „Ich tue was ich kann, ich gebe mein Bestes.“
Die Geschichte ist frei nacherzählt von meinem guten Freund Davide, den ich im aktiven Tierschutz kennengelernt habe.
Du wirst viele Menschen in deinem Leben treffen, die so viel mehr Möglichkeiten hätten als du, Geld und Ressourcen in nützliche Projekte zu stecken, um Leben zu retten und lebenwert zu machen und die es einfach nicht tun. Stattdessen laufen sie erfundenen Wünschen und Träumen hinterher, irgendetwas zu besitzen, irgendetwas zu „schaffen“. Es kann beizeiten frustrierend sein und manchmal macht es mich auch einfach nur sauer.
Trotzdem: Du tust deinen Teil und ich meinen. Ein globales Umdenken kann und wird genau so stattfinden, in dem ich mein Handeln NICHT nach dem Anderer richte, sondern indem ich das Richtige tue: für mich und für andere, ins Besondere all diejenigen, die nicht gehört werden.
Es muss und wird nicht Jede*r gut finden oder nachvollziehen können, das müssen sie auch nicht. Hör auf dich und gib deine Prinzipien nicht auf, ergebe dich nicht der Masse. Kurz gesagt: Sei der Kolibri!